27.02.2004

Lotteriestaatsvertrag

Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland: 
Polizeirecht der Länder oder Wirtschaftsrecht des Bundes?

Martin Reeckmann hat die Glücksspielregulierung durch den geplanten Lotteriestaatsvertrag untersucht. Anlass sind die gerichtlichen Streitverfahren und das politische Tauziehen um die Verteidigung des staatlichen Lotteriemonopols und die Frage, ob neben dem Lottoblock auch private Dienstleister Sportwetten anbieten dürfen.

Das Fazit der 54 Seiten umfassenden Studie lautet:
  • Im Glücksspielwesen sind die Veranstaltungsebene (wer darf welche Glücksspiel unter welchen Bedingungen veranstalten?) und die Verwendungsebene (wie werden die mit Glücksspielen von den Anbietern erwirtschafteten Erträge verwendet?) zu unterscheiden.
  • Der Staatsvertrag Lotteriewesen ist als einer von drei neuen Staatverträgen betreffend Glücksspiele nur ein Baustein der Glückspielpolitik der Bundesländer. Er betrifft die Veranstaltungsebene. Die ebenfalls neuen Staatsverträge Fußball-WM und Regionalisierung regeln fiskalische Fragen und betreffen also die Verwendungsebene.
  • Der Staatsvertrag Lotteriewesen gibt vor, das Glücksspielrecht zu vereinheitlichen. Er überlässt jedoch das Spielbankwesen weiterhin den einzelnen Ländern. Dabei gibt es im Spielbankenbereich dringenden Vereinheitlichungsbedarf, wie die zulassung neuer Spielbankstandorte einerseits und die inzwischen flächendeckende Abkehr von einer einheitlichen Spielbankabgabe zeigen. Stattdessen bewirkt der Staatsvertrag ein Totalverbot für Sportwetten durch private Anbieter sowie erhebliche Beschränkungen der Produktgestaltung für private Lotterien.
  • Die erheblichen Einschränkungen für private Anbieter begründet der Staatsvertrag mit nicht näher erläuterten Gefahren. Es wird ohne jede Begründung behauptet, dass öffentliche Glücksspielanbieter jederzeit besser kontrollierbar seien. Tatsächlich werden Glücksspiele seit Jahrzehnten von Privaten mit wirtschaftlichem Erfolg und beanstandungsfrei angeboten. Umgekehrt sind öffentliche Anbieter mehrfach durch technische Pannen und parteipolitische Verflechtungen aufgefallen. Den Nachweis der Gefährlichkeit von Glücksspielen in privater Hand bleiben die Autoren des Staatsvertrages schuldig.
  • Die erheblichen Einschränkungen für private Anbieter begründet der Staatsvertrag mit nicht näher erläuterten Gefahren. Es wird ohne jede Begründung behauptet, dass öffentliche Glücksspielanbieter jederzeit besser kontrollierbar seien. Tatsächlich werden Glücksspiele seit Jahrzehnten von Privaten mit wirtschaftlichem Erfolg und beanstandungsfrei angeboten. Umgekehrt sind öffentliche Anbieter mehrfach durch technische Pannen und parteipolitische Verflechtungen aufgefallen. Den Nachweis der Gefährlichkeit von Glücksspielen in privater Hand bleiben die Autoren des Staatsvertrages schuldig.
  • Die Länder verfolgen mit ihrer Regelungs- und Zulassungspolitik, deren Teil die neuen Staatsverträge sind, nicht nur in erster Linie, sondern ausschließlich fiskalische Ziele. Der Staatsvertrag Lotteriewesen regelt den Wettbewerb der Glücksspielanbieter mit klarer Bevorzugung der öffentlichen Unternehmen, die sachlich nicht begründet ist. Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr sind nur vorgeschoben, um die für die Länder fiskalisch interessante Gesetzgebungszuständigkeit auf Länderebene und damit zugleich auf nationaler Ebene auch für die Zukunft zu reklamieren.
  • Die Gesetzgebungs- und Behördenpraxis ist nicht vereinbar mit den vom EuGH in den Rechtssachen Zenatti und Gambelli formulierten Maßstäben für nationale Regelungsvorbehalte im Glückspielwesen, die die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nach den europäischen Verträgen beschränken. Der Staatsvertrag Lotteriewesen ist unter verfassungs- und europarechtlichen Gesichtpunkten kein überzeugender Beitrag zur Regulierung der Veranstaltungsebene, weil er nicht wirklich der Eindämmung und Kanalisierung von Glücksspielen dient.
  • Der Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland dient nicht der Gefahrenabwehr, sondern dem Konkurrenzschutz der staatlichen Unternehmen. Aus der beschriebenen Verwaltungspraxis und Gesetzgebungspraxis der Länder ist zu schließen, dass die landesrechtlichen Reglungen des Zugangs zum Glücksspielmarkt nicht dem Polizeirecht der Länder zuzuordnen sind, sondern richtigerweise dem Wirtschaftsrecht des Bundes zuzuordnen. Die bisherige Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf Bund und Länder (1. Säule [StGB] und 3. Säule [RWLG und GewO] beim Bund; 2. Säule [Zulassungsrecht Spielbanken, Lotterien, Sportwetten] bei den Ländern) ist durch vollständige Zusammenführung des Glückspielrechts in Bundeskompetenz zu beenden.
  • Alternativ ist eine Entkoppelung der fiskalischen Länderinteressen einerseits und der aufsichtsbehördlichen Aufgaben andererseits durch Errichtung einer bundesweiten Regulierungsbehörde im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz in Betracht zu ziehen.

Die vollständige Fassung der Studie ist als PDF verfügbar.

Nachtrag vom 10.04.2006:

Die Studie hat dem Bundesverfassungsgericht  im Verfassungsbeschwerde-Verfahren 1 BvR 1054.01 vorgelegen und wurde durch das Bundesverfassungsgericht allen Bundesländern zur Stellungnahme zugeleitet. Das Verfassungsbeschwerde-Verfahren 1 BvR 1054.01 endete mit dem sog. Sportwettenurteil vom 28.03.2006, in dem der Lotteriestaatsvertrag als nicht verfassungskonform bewertet wurde.