07.12.2017

EU-Kommission: Glücksspielregulierung bleibt nationale Angelegenheit

Die Europäische Kommission hat heute offiziell mitgeteilt, dass sie alle Vertragsverletzungsverfahren gegen EU-Mitgliedstaaten betreffend Glücksspiel eingestellt hat. Das Gleiche gilt für die Behandlung diesbezüglicher Beschwerden.

Die EU-Kommission weist in ihrer Pressemitteilung vom 7.12.2017 auf ihre politischen Prioritäten hin und teilt deutlich mit, dass
... es nicht zu den Schwerpunkten der Kommission [gehört], die Befugnisse, über die sie für Vertragsverletzungsverfahren verfügt, zur Förderung des EU-Binnenmarkts im Bereich von Online-Glücksspielen einzusetzen.
Weiter heißt es in der Pressemitteilung:
"Auch im Lichte zahlreicher Urteile des Gerichtshofs der EU zu nationalen Glücksspielvorschriften vertritt die Kommission die Auffassung, dass Beschwerden gegen die Glücksspielbranche effizienter durch nationale Gerichte bearbeitet werden können."
Und genau so ist es: Die zahlreich vorliegenden EuGH-Urteile entscheiden nicht die Einzelfälle, sondern präsentieren stets "nur" die mehr oder weniger gleichbleibenden Prüfungsmaßstäbe, an Hand derer die nationalen Gerichte entscheiden sollen.

Die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sind bekannt.

  • Damit sind die mehrjährigen und wiederholten Versuche von Glücksspielanbietern, die EU-Kommission für die Liberalisierung des Glücksspielmarktes zu instrumentalisieren, gescheitert.
  • Es ist zur Kenntnis zu nehmen, dass Glücksspielregulierung auf nationaler Ebene erfolgt.
  • Die bisherige Strategie vieler Glücksspielanbieter, eine Liberalisierung des Glücksspielmarktes unter Berufung auf EU-Grundfreiheiten (also Freiheitsrechte) zu erzwingen, ist aufgebraucht.
  • Die Stakeholder im Glücksspielwesen sollten vielmehr im offenen Diskurs Vorschläge für eine strikt am Verbraucherschutz orientierte Glücksspielregulierung für Deutschland entwickeln.


10.10.2017

Bundesverfassungsgericht: Glücksspiel unerwünscht?

Ein Vorschlag zum Perspektivwechsel statt bequemer Richterschelte

Von Martin Reeckmann

Der Text ist erschienen in: Beiträge zum Glücksspielwesen, 3/2017, S. 15

Die Glücksspielanbieter haben kein Glück mit dem Bundesverfassungsgericht – und sehen die Ursache mitunter in einer moralisierenden Bewertung des Glücksspiels durch das BVerfG. Festgemacht wird dies unter anderem an der Wertung des Glücksspiels als unerwünscht.[1] Aber trifft das aktuell zu?

Erfolgsquote 2,3 Prozent

Das BVerfG hat sich seit Beginn seiner Arbeit im September 1951 in rund 100 Verfahren mit dem Glücksspiel befasst – davon entfallen knapp 80 Prozent auf die Jahre seit der Jahrtausendwende. Anlass waren meist Verfassungsbeschwerden, mit denen die Verletzung von Grundrechten gerügt wurde. Generell haben nur wenig mehr als zwei Prozent aller Verfassungsbeschwerden Erfolg.[2] Das ist auch im Glücksspielwesen nicht anders, wie zuletzt der Spielhallen-Beschluss vom 7. März 2017 illustriert: Dort hat das BVerfG vier Verfassungsbeschwerden gegen das Spielhallenrecht der Länder Bayern, Berlin und Saarland abgewiesen und in keinem einzigen Punkt einen Verstoß des Spielhallenrechts gegen das höherrangige Grundgesetz erkannt.[3] Die bescheidene Erfolgsquote von Verfassungsbeschwerden gegen die Glücksspielgesetzgebung ist also statistisch nichts Besonderes. Eher stellt sich die Frage, weshalb Glücksspielanbieter annehmen, ihre Erfolgsquote könnte höher sein als im Durchschnitt ...

Auch inhaltlich lohnt sich ein Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG, wobei hier vier Entscheidungen als herausragend betrachtet werden sollen: Die Spielbankenentscheidungen aus 1970 und 2000, das Sportwetten-Urteil aus 2006 und der bereits erwähnte Spielhallen-Beschluss vom März 2017.

19.04.2017

Spielhallenrecht ist verfassungskonform


Im Osten und Westen nichts Neues – Spielhallenrecht besteht Prüfung vor dem BVerwG

Unter dieser Überschrift hat RA Martin Reeckmann in Heft 2.17 der Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht (ZfWG) eine Anmerkung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2016 (Az. 8 C 4.16) veröffentlicht. Die Anmerkung wurde im März d. J. erstellt, als die erst am 11.4.2017 veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7.3.2017 (Az. 1 BvR 1314/12 u.a.) zur Verfassungsmäßigkeit des Spielhallenrechts der Länder Bayern, Berlin und Saarland noch nicht bekannt war.

Die in der Urteilsanmerkung von RA Reeckmann formulierte Einschätzung, dass Nichts darauf hindeutet, dass das Bundesverfassungsgericht bei den dort bereits vorliegenden Verfassungsbeschwerden zu einer grundsätzlich anderen Bewertung kommen wird als das Bundesverwaltungsgericht, ist in vollem Umfang bestätigt worden.

Hier ein kurzer Auszug aus der Urteilsanmerkung:

Mit sechs Urteilen vom 16.12.2016 hat das Bundesverwaltungsgericht die Vereinbarkeit des Spielhallenrechts der Länder Berlin und Rheinland-Pfalz mit Verfassungsrecht und Unionsrecht bejaht und dabei nicht geringste Zweifel an seinem Prüfungsergebnis erkennen lassen. Die verfassungsrechtliche Diskussion um die Reichweite der Gesetzgebungskompetenz für das „Recht der Spielhallen“ in Abgrenzung zu produktbezogenen Rechtsvorschriften und ihre konkrete Anwendung durch die Landesgesetzgeber ist damit höchstrichterlich geklärt. ...

Mit dem vorliegenden höchstrichterlichen Urteil des BVerwG ist der fachgerichtliche Instanzenzug  rechtskräftig abgeschlossen. Das schließt freilich nicht aus, dass die vollständig unterlegene Klägerin Verfassungsbeschwerde gegen die zu ihren Ungunsten ergangenen fachgerichtlichen Entscheidungen erheben wird, obwohl das Bundesverfassungsgericht alles andere als ein Superrevisionsgericht ist. Ob eine Verfassungsbeschwerde erhoben, zur Entscheidung angenommen und ggf. abweichend von der fachgerichtlichen Rechtsprechung entschieden wird, ist offen. Allerdings bestätigt die vorliegende fachgerichtliche und landesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung einhellig die Spielhallengesetze als kompatibel mit höherrangigem Recht. Nichts deutet darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht bei den dort bereits vorliegenden Verfassungsbeschwerden zu einer grundsätzlich anderen Bewertung kommen wird.

Wie man sieht, sind realistische Prognosen zum Ausgang von höchstrichterlichen und verfassungsrichterlichen Judikaten möglich - wenn man sich auf Analysen statt Wunschdenken stützt.

11.04.2017

Automatenwirtschaft komplett gescheitert

Bundesverfassungsgericht bestätigt Spielhallenrecht der Länder

"Ich sage voraus, dass es den Glücksspielstaatsvertrag 2014 nicht mehr geben wird. Wir haben bereits die besten Anwälte in ganz Deutschland auf die Sache angesetzt. Klagen laufen."

So tönte Paul Gauselmann nach dem Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages, wie die WirtschaftsWoche am 12.9.2012 berichtete. Es hat sich wohl um die teuersten Anwälte gehandelt, aber nicht die besten. Denn das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden aus der Automatenwirtschaft gegen die Spielhallengesetzgebung in Berlin, Bayern und im Saarland durch Beschluss vom 7.3.2017 in vollem Umfang zurückgewiesen (lediglich eine nachträgliche Ergänzung einer Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung im gesonderten Verfahren abgetrennt worden).

Bereits seit den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2016 steht höchstrichterlich fest, dass die Spielhallengesetzgebung der Länder Berlin und Rheinland-Pfalz verfassungsgemäß ist. Die nun vorliegende Bewertung der Spielhallengesetzgebung durch das Bundesverfassungsgericht sagt nichts anderes.


S. hierzu auch die Anmerkung von RA Martin Reeckmann in ZfWG 2017, 158 zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2016.