07.04.2020

Financial Blocking und illegale Online-Casinos

Justitias Mühlen mahlen langsam – Zur Durchsetzung des Mitwirkungsverbots bei Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubten Glücksspielen 


RA Martin Reeckmann hat in einer Anmerkung das aktuelle Urteil des Landgerichts Ulm vom 16.12.2019 zum gesetzlichen Mitwirkungsverbot bei Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubten Glücksspielen beleuchtet. Die Urteilsanmerkung ist in Heft 2.20 der Zeitschrift für Wett- und Glücks­spielrecht (ZfWG) erschienen (ZfWG 2020, 179).
Die vollständige Fassung der Urteilsanmerkung ist → hier als PDF verfügbar (PDF, 250 KB).

Hier ein Auszug aus dem Text:

Die Durchsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen des öffentlichen Glücksspiels in Deutschland stößt seit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) auf Schwierigkeiten, von Beginn an zu besichtigen am Beispiel von unerlaubten Glücksspielen im Internet. Das gilt auch für das mit dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag eingeführte Verbot der Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubten Glücksspielen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GlüStV), das von der Zahlungsdienstewirtschaft erst ignoriert wurde und nun gerichtlich bekämpft wird. Nun liegt mit dem Urteil des LG Ulm vom 16.12.2019 erstmals eine gerichtliche Entscheidung vor, die die maßgeblichen Rechtsfragen einschließlich des Spielerschutzes umfassend in den Blick nimmt. ...


07.03.2019

Glücksspielstaatsvertrag: Konstruierte Wirklichkeit oder Problemlösung?

Wie findet man einen tragfähigen Konsens in der Glücksspielregulierung?


Von Dr. Simone Stölzel, Dr. Thomas Stölzel und Martin Reeckmann
Die vollständige Fassung des Aufsatzes ist ➤ hier als PDF verfügbar (PDF, 200 KB).
Hier ein Auszug:

Ein Wahrnehmungsproblem

Seit dem Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006 findet sich die Regulierung des Glücksspielwesens wiederkehrend auf der Tagesordnung von Ministerpräsidentenkonferenzen (MPK). Ein Ende des Diskussionsbedarfs scheint nicht in Sicht zu sein. Die wiederholte Beratung und Beschlussfassung ist allerdings nicht einer konstruktiven Lust am Diskurs geschuldet, sondern vielmehr einer Notlage.
Es ist den Bundesländern seit dem Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006 nicht gelungen, eine Sportwettenregulierung zu vereinbaren, die der Prüfung vor deutschen Gerichten und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) standhält und ein stabilisierendes Maß an Rechtsfrieden trägt. In der Zwischenzeit ist die Digitalisierung vieler Lebensbereiche vorangeschritten und hat – neben anderen für die Digitalisierung besonders geeigneten Märkten – auch den Glücksspielmarkt erfasst. Das ungebremste Wachstum der Umsätze mit Sportwetten und Online-Casinospielen (einschließlich Poker) hat ein Ausmaß erreicht, dass die Frage nach dem Nutzen der bisherigen Regulierung aufwirft. Doch schon das Anerkennen eines Vollzugsdefizits scheint nicht Konsens zu sein; erst recht ist die Wahl der vorzugswürdigen Regulierungsinstrumente, etwa ausnahmslose Verbote und Mengenbegrenzungen versus Gewerbefreiheit, umstritten.
Unter dem Druck der Entwicklung besteht Einigkeit der Länder wohl nur noch in zwei Punkten, nämlich der Bewahrung des staatlichen Lotteriemonopols und dem Schutz der Spieler. Bereits hier haben wir es letztlich mit unklaren Punkten zu tun: Was ist mit dem Begriff Lotteriemonopol gemeint, und was ist daran aus welchen Gründen bewahrens- oder gar schützenswert? Was ist unter Spielerschutz zu verstehen, nämlich: Welche Spieler sind vor welchen Effekten mit welchen Mitteln zu schützen? Ohne eine nachvollziehbare Klärung dieser Fragen lässt sich ein tragfähiger Konsens in der Glücksspielregulierung nicht finden. 

Fragen über Fragen

Antworten auf die vorstehenden Fragen sollen hier nicht geliefert werden. Denn Fragen, zu denen sogleich Antworten mitgeliefert werden, verlieren ihre Kraft und behindern eher eine mögliche Änderung der eigenen Wahrnehmung des jeweiligen Problems. Stattdessen werden hier weitere Fragen vorgeschlagen, mit denen grundsätzliche Klärungen, Zielvorstellungen, bisherige Strategien, bestehende Erklärungsweisen, Einflussmöglichkeiten und Zukunftsfragen genauer in Augenschein genommen werden können. 

Wege zu tragfähigen Antworten

Mancher Leser mag hier Antworten vermissen, insbesondere die Lösung, den Vorschlag zur Glücksspielregulierung. Mancher Leser mag die Fragen für sich in seiner Rolle selbst beantworten. Es geht aber auch anders: Bei den hier dargestellten Fragen handelt sich um das erprobte Mittel der systemischen Interventionstechnik, um zirkuläres Fragen. Dabei wird, anders als beim linear kausalen Denken (das auf nachvollziehbare Ursachen-Wirkungsbeziehungen abzielt) "um die Ecke gefragt". Etwa so: "Was glauben Sie, denken unsere Wähler als Verbraucher über unsere Regulierung?"
Dieses Mittel lässt sich auch für das Finden eines tragfähigen Konsenses in der Glücksspielregulierung gut nutzen. Letztlich könnte sich die Überprüfung bisheriger Perspektiven als hilfreich erweisen, um bei der Lösung des Regulierungsproblems weiter zu kommen. Ähnliches gilt für die Anwendung der von Dr. Simone Stölzel und Dr. Thomas Stölzel entwickelten und erprobten Trias Selbstbesinnung Selbstbestimmung Selbstverantwortung.

Download

Der vorstehende Text ist ein Auszug aus:

Dr. Simone Stölzel, Dr. Thomas Stölzel, Martin Reeckmann
Glücksspielstaatsvertrag: Konstruierte Wirklichkeit oder Problemlösung?
Wie findet man einen tragfähigen Konsens in der Glücksspielregulierung?
Berlin, März 2019

Die vollständige Fassung des Aufsatzes ist ➤ hier als PDF verfügbar (PDF, 200 KB).

07.12.2017

EU-Kommission: Glücksspielregulierung bleibt nationale Angelegenheit

Die Europäische Kommission hat heute offiziell mitgeteilt, dass sie alle Vertragsverletzungsverfahren gegen EU-Mitgliedstaaten betreffend Glücksspiel eingestellt hat. Das Gleiche gilt für die Behandlung diesbezüglicher Beschwerden.

Die EU-Kommission weist in ihrer Pressemitteilung vom 7.12.2017 auf ihre politischen Prioritäten hin und teilt deutlich mit, dass
... es nicht zu den Schwerpunkten der Kommission [gehört], die Befugnisse, über die sie für Vertragsverletzungsverfahren verfügt, zur Förderung des EU-Binnenmarkts im Bereich von Online-Glücksspielen einzusetzen.
Weiter heißt es in der Pressemitteilung:
"Auch im Lichte zahlreicher Urteile des Gerichtshofs der EU zu nationalen Glücksspielvorschriften vertritt die Kommission die Auffassung, dass Beschwerden gegen die Glücksspielbranche effizienter durch nationale Gerichte bearbeitet werden können."
Und genau so ist es: Die zahlreich vorliegenden EuGH-Urteile entscheiden nicht die Einzelfälle, sondern präsentieren stets "nur" die mehr oder weniger gleichbleibenden Prüfungsmaßstäbe, an Hand derer die nationalen Gerichte entscheiden sollen.

Die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sind bekannt.

  • Damit sind die mehrjährigen und wiederholten Versuche von Glücksspielanbietern, die EU-Kommission für die Liberalisierung des Glücksspielmarktes zu instrumentalisieren, gescheitert.
  • Es ist zur Kenntnis zu nehmen, dass Glücksspielregulierung auf nationaler Ebene erfolgt.
  • Die bisherige Strategie vieler Glücksspielanbieter, eine Liberalisierung des Glücksspielmarktes unter Berufung auf EU-Grundfreiheiten (also Freiheitsrechte) zu erzwingen, ist aufgebraucht.
  • Die Stakeholder im Glücksspielwesen sollten vielmehr im offenen Diskurs Vorschläge für eine strikt am Verbraucherschutz orientierte Glücksspielregulierung für Deutschland entwickeln.


10.10.2017

Bundesverfassungsgericht: Glücksspiel unerwünscht?

Ein Vorschlag zum Perspektivwechsel statt bequemer Richterschelte

Von Martin Reeckmann

Der Text ist erschienen in: Beiträge zum Glücksspielwesen, 3/2017, S. 15

Die Glücksspielanbieter haben kein Glück mit dem Bundesverfassungsgericht – und sehen die Ursache mitunter in einer moralisierenden Bewertung des Glücksspiels durch das BVerfG. Festgemacht wird dies unter anderem an der Wertung des Glücksspiels als unerwünscht.[1] Aber trifft das aktuell zu?

Erfolgsquote 2,3 Prozent

Das BVerfG hat sich seit Beginn seiner Arbeit im September 1951 in rund 100 Verfahren mit dem Glücksspiel befasst – davon entfallen knapp 80 Prozent auf die Jahre seit der Jahrtausendwende. Anlass waren meist Verfassungsbeschwerden, mit denen die Verletzung von Grundrechten gerügt wurde. Generell haben nur wenig mehr als zwei Prozent aller Verfassungsbeschwerden Erfolg.[2] Das ist auch im Glücksspielwesen nicht anders, wie zuletzt der Spielhallen-Beschluss vom 7. März 2017 illustriert: Dort hat das BVerfG vier Verfassungsbeschwerden gegen das Spielhallenrecht der Länder Bayern, Berlin und Saarland abgewiesen und in keinem einzigen Punkt einen Verstoß des Spielhallenrechts gegen das höherrangige Grundgesetz erkannt.[3] Die bescheidene Erfolgsquote von Verfassungsbeschwerden gegen die Glücksspielgesetzgebung ist also statistisch nichts Besonderes. Eher stellt sich die Frage, weshalb Glücksspielanbieter annehmen, ihre Erfolgsquote könnte höher sein als im Durchschnitt ...

Auch inhaltlich lohnt sich ein Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG, wobei hier vier Entscheidungen als herausragend betrachtet werden sollen: Die Spielbankenentscheidungen aus 1970 und 2000, das Sportwetten-Urteil aus 2006 und der bereits erwähnte Spielhallen-Beschluss vom März 2017.