13.06.2011

Soziale Kosten des Glücksspiels in Deutschland

Auf Anregung von RA Martin Reeckmann, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Spielbanken in Deutschland (BupriS), hat Prof. Tilman Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim, die Sozialen Kosten des Glücksspiels in Deutschland untersucht. Es handelt sich um die erste Studie, in der die sozialen Kosten des Glücksspiels in Deutschland nach den Standards der World Health Organisation (WHO) untersucht werden.

Die Ergebnisse der Studie wurden im März 2011 auf dem jährlichen Symposium der Forschungsstelle Glücksspiel in Hohenheim vorgestellt. Eine ausführliche Darstellung ist in: Becker, T.: Soziale Kosten des Glücksspiels, Peter Lang-Verlag (derzeit im Druck) zu finden.

Wesentliche Ergebnisse der Studie von Prof. Becker sind:

Die sozialen Kosten des Glücksspiels in Deutschland betragen für das Jahr 2008 insgesamt 326 Mio. Euro. In den Kosten sind auch die Aufwendungen für den Spielerschutz und für die Glücksspielsuchtprävention enthalten.

Zum Vergleich: Die sozialen Kosten, die der Gesellschaft durch den Tabak- und Alkoholkonsum entstehen, liegen bei 20 bis 50 Mrd. Euro beim Tabakkonsum bzw. bei 20 bis 30 Mrd. Euro beim Alkoholkonsum - und sind damit etwa zweihundert mal größer.

Die Studie unterscheidet bei der Berechnung der sozialen Kosten des Glücksspiels drei Gruppen von problematischen und pathologischen Spielern, nämlich
  1. die pathologischen Spieler, die sich in stationäre Behandlung begeben,
  2. die pathologischen Spieler, die sich in ambulante Behandlung begeben,
  3. die problematischen und pathologischen Spieler in der Bevölkerung, die sich nicht in Behandlung begeben.
Die direkten Kosten betragen 152 Mio. Euro. Diese gliedern sich auf in Kosten für die stationäre Behandlung von pathologischen Glücksspielern in der Höhe von 17 Mio. Euro, Kosten für die ambulante Behandlung in der Höhe von 24 Mio. Euro, Kosten der Beschaffungskriminalität in der Höhe von 30 Mio. Euro, Kosten der Gerichte und der Strafverfolgung in der Höhe von 18 Mio. Euro, Verwaltungskosten für die Arbeitslosigkeit von 12 Mio. Euro, Kosten für Ehescheidungen von 16 Mio. Euro, Kosten für den Spielerschutz von 26 Mio. Euro und Kosten für  Präventionsforschung von 9 Mio. Euro. Die Kosten der Schuldnerberatung liegen bei deutlich weniger als 1 Mio. Euro.

Die indirekten Kosten betragen 174 Mio. Euro. Diese gliedern sich auf in Kosten, die durch den spielbedingten Verlust des Arbeitsplatzes entstehen in der Höhe von 85 Mio. Euro, Kosten durch krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Höhe von 75 Mio. Euro und Kosten durch eine verringerte Arbeitsproduktivität pathologischer Glücksspieler in der Höhe von 14 Mio. Euro.

Soziale Kosten der verschiedenen Formen des Glücksspiels
  • Das Spielen an den Geldspielautomaten (Geldgewinnspielgeräte in Spielhallen und Gaststätten) verursacht der Gesellschaft soziale Kosten in der Höhe von 225 Mio. Euro im Jahr. Weit dahinter liegen die anderen Formen des Glücksspiels:
  • Die Glücksspielautomaten in Spielbanken (sog. Slotmachines) führen zu sozialen Kosten von 36 Mio. Euro im Jahr. Bei den Casinospielen sind die Umsätze bei den terrestrischen Spielbanken und in den nicht erlaubten Internetcasinos sowie von Poker mit eingerechnet. Alle diese Casinospiele insgesamt führen zu sozialen Kosten in der Höhe von knapp 31 Mio. Euro. 
  • In derselben Höhe liegen die Sportwetten mit knapp 30 Mio. Euro.
  • Lotterien verursachen soziale Kosten in der Höhe von etwas mehr als 3 Mio. Euro.

Mit der Studie sind erstmals die sozialen Kosten des Glücksspiels nach WHO-Standards untersucht worden. Für eine  volkswirtschaftliche Kosten-/Nutzen-Analyse des Glücksspiels wäre auch der Nutzen des Glücksspiels für die Gesellschaft zu ermitteln und den sozialen Kosten gegenüberzustellen - dies bleibt künftigen Studien vorbehalten.